Medienaneignung im frühen Kindesalter: entwicklungspsychologische Betrachtung

Ein Kind mit Kopfhörern auf dem Kopf, das am Schreibtisch sitzt

Kinder sind von Geburt an mit der modernen Medienwelt konfrontiert, nehmen diese wahr und beschäftigen sich damit. Doch wie entwickelt sich der Umgang mit digitalen Medien und somit die kindliche Medienkompetenz im frühen Kindesalter? Dieser Beitrag bietet einen entwicklungspsychologischen Blick auf diese Frage.

Im Zuge der stetig fortschreitenden Mediatisierung unserer Gesellschaft wachsen Kinder ab Geburt in die bestehende Medienwelt hinein – eine Welt, welche in den ersten Lebensjahren von der familiären Medienumgebung und Mediennutzung geprägt ist. Kontinuierlich eignen sich die Kinder die bestehenden Medien an. Dabei können drei Stadien unterschieden werden. In einem ersten Stadium registrieren die Kinder Medien zu Beginn als optische oder akustische Einflüsse, ehe sie diese als Gegenstände erkunden. Darauf aufbauend imitieren sie schon bald das Medienverhalten des Umfelds. In einem zweiten Stadium entdecken die Kinder die Medienangebote hinsichtlich Inhalt und Funktion. Das Bilderbuch, Hörmedien, das Fernsehen oder digitale Medienangebote werden als Geschichtenerzähler und Träger alltagsrelevanten Wissens wahrgenommen. Schliesslich werden Medienangebote im dritten Stadium in das eigene Leben integriert. Sie werden zu einem Erfahrungs- und Handlungsraum, welcher eigenständig genutzt werden kann (Theunert, 2013).

Um jedoch analoge und digitale Medieninhalte verarbeiten und aufnehmen und somit auch im Sinne eines Lernens rezipieren und nutzen zu können, müssen verschiedene entwicklungspsychologische Meilensteine erreicht werden. Die Bedeutsamkeit von Kompetenzen im Bereich der kommunikativen, der kognitiven und der sozial-emotionalen Entwicklung sind dabei zentral (Charlton, 2007).

Kommunikative Kompetenzen

Erst wenn Kinder verstehen, dass Symbole repräsentativen Charakter haben oder auf etwas verweisen, ist es ihnen möglich, mit Hilfe von Gesten, Bildern oder Sprache zu kommunizieren. Diese Grundfertigkeit zur symbolischen Kommunikation und Interaktion ermöglich die Rezeption von Medienangeboten.

Kognitive Kompetenzen

Die Entwicklung kognitiver Kompetenzen ist Voraussetzung dafür, dass Kinder den Sinn von Medieninhalten erfassen und gezielt nutzen können. Im Zentrum der kognitiven Kompetenzen steht einerseits die Fähigkeit, sich in andere Menschen (oder Medienfiguren) einfühlen und deren innere Situation und Erleben nachvollziehen zu können und andererseits die Kompetenz, Geschichten und Erzählstränge folgen und rekonstruieren zu können.

Sozial-emotionale Kompetenzen

Sie ermöglichen es dem Kind, sich selbständig für Inhalte, die von Interesse sind, zu entscheiden und Themen, die ihnen eher Angst machen oder bedrohlich sind, zu erkennen und abzuwehren.

Abschliessend sollen diese Erkenntnisse zusammengeführt und in Alterskategorien verortet werden (Lütolf, 2013).

Kinder im Alter von 0 – 2 Jahre

Säuglinge und Kleinkinder erleben Medien zu Beginn als Reizquelle, welche insbesondere Sehen und Hören ansprechen. Sie nehmen wahr, dass die verschiedenen Medienangebote für die Erwachsenen von grosser Bedeutung sind und Aufmerksamkeit erhalten. Im Verlauf des zweiten Lebensjahres, einhergehend mit der Entwicklung der Sprache, interessieren sich Kleinkinder vermehrt für Bilderbücher, Hörmedien oder auch Figuren, welche sie im Fernseher wiedererkennen. Einhergehend mit Fortschritten im Bereich der kommunikativen Kompetenzen, tritt das Kind in einen nonverbalen wie auch sprachlichen Austausch mit seiner Umwelt. Dabei ist die Kommunikation stark von einem realen, aktiven Interaktionspartner abhängig. Auf die kommunikativen Reize digitaler Medien können Kinder in diesem Alter noch nicht reagieren, da diese sich nicht an ein kleinkindliches Gegenüber wenden. Ebenso wenig ist es ihnen möglich, längere Ereignisfolgen oder Erzählstränge zu verfolgen und nachzuvollziehen.

Kinder im Alter von 3 – 5 Jahre

Das Interesse an Medien nimmt in diesem Alter stetig zu. Die verschiedenen Medieninhalte werden zugänglicher, verständlicher und auch selbständig nutzbar. Mit dem Interesse an der Teilhabe an der Erwachsenenwelt steigt auch die Neugier gegenüber Medienangeboten, welche den Kleinkindern bisher vorenthalten blieben. Gleichzeitig lernen sie immer mehr Medieninhalte kennen, welche ihrem Alter angepasst und verständlich sind. In kommunikativer Hinsicht zeigen sich Fortschritte im Sinne einer zunehmenden Empathiefähigkeit. Diese ist Voraussetzung, um Handlungen von Medienfiguren verstehen und die erzählten Geschichten in ihrer Ganzheit nachvollziehen zu können. Kinder im Alter von 3 – 5 Jahren sind bereits fähig, aus Medienangeboten nach ihren Vorlieben und Interessen selbst auszuwählen. Sie sind emotional dazu in der Lage, interessante, den eigenen Erfahrungen entsprechende Medienangebote von angstmachenden oder belastenden Themen zu unterscheiden und dementsprechend auszuwählen. Welche Inhalte jedoch positiv oder negativ bewertet werden, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Daher ist eine gemeinsame Mediennutzung mit einer erwachsenen Person wichtig.

Kinder im Alter von 6 -7 Jahre

Die Zugangsmöglichkeiten von Medien und Medieninhalten nehmen in diesem Alter stetig zu und sind nicht mehr ausschliesslich auf den familiären Rahmen beschränkt, sondern erweitern sich entsprechend der zunehmenden Selbständigkeit (Kindergarten, Schule, Besuch bei Freunden) des Kindes. Das Verstehen von Erzählinhalten und die Fähigkeit, auch längere Geschichten umfänglich nachvollziehen zu können, entwickeln sich in diesem Alter weiter. Die Kinder können die Charaktereigenschaften der Medienfiguren unterscheiden. Dabei entstehen Verbindungen zur persönlichen realen Welt. Im Zentrum steht nicht mehr die eigentliche Handhabung, sondern die kreative und sinnstiftende Nutzung von Medien und Medienangeboten.

Literatur

  • Charlton, M. (2007). Das Kind und sein Startkapital – Medienhandeln aus der Perspektive der Entwicklungspsychologie. In H. Theunert (Hrsg.), Medienkinder von Geburt an (S.25-50). München: kopaed.
  • Lütolf, M. (2013). Neue Medien im Kontext der Heilpädagogischen Früherziehung. Forum BVF, 81, 18-27.
  • Theunert, H. (2013). Medienaneignung in frühen Stadien der Kindheit. Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, 3, 16-21.
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