Rechner auf dem iPad

Das iPad hat den Schulalltag längst erobert. Sein wahrer Wert zeigt sich beim Blick auf die verschiedenen Apps. Für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten erschliesst die geschickte Anwendung dieser digitalen Helfer ein wertvolles Potenzial für ihr eigenes Lernen. Eine gut gewählte Rechenapp kann als ein massgeschneidertes Lernwerkzeug den Mathematikunterricht verständlicher und zugänglicher machen. Und sie hat das Potenzial, im Mathematikunterricht das Engagement der Schüler zu steigern, das Verständnis zu vertiefen und die Lehrkräfte bei der Individualisierung des Lernens zu unterstützen. Entscheidend ist jedoch, dass die Verwendung sinnvoll geplant und eingebettet wird, um sicherzustellen, dass die Technologie den pädagogischen Zielen dient und nicht nur zur Spielerei verkommt. Der Einsatz einer iPad-Rechenapp kann insbesondere für Kinder mit Lernbeeinträchtigungen vorteilhaft sein.

Differenziertes, individualisiertes und adaptives Lernen

Gerade für schwächere Schülerinnen und Schüler sind mathematische Konzepte abstrakt und teilweise schwer fassbar. Eine Rechenapp kann im Unterricht auf verschiedenen Kompetenzniveaus eingesetzt und genutzt werden. Damit wird ein binnendifferenzierter Lernzugang ermöglicht. Entsprechend dem individuellen Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler kann eine App als Werkzeug so unterstützen, dass mal mehr, mal weniger Rechner zum Einsatz kommt. Es ist möglich, Resultate und Lösungswege selbständig zu überprüfen. Oder eine App kann weniger guten Rechnerinnen und Rechnern dazu dienen, überhaupt eine Lösung zu finden. In jedem Fall bietet eine Rechenapp einen individuellen Zugang zum gegebenen Schwierigkeitsgrad von Aufgabenstellungen. Auf diese Weise können Schülerinnen und Schüler ihrem Lerntempo angepasst auswählen, wie sie eine App zum Einsatz bringen. Unter der Voraussetzung eines pädagogisch und didaktisch überlegten und sinnstiftenden Einsatzes, unterstützt das ein differenziertes, individualisiertes und adaptives Lernen im Mathematikunterricht.

Begleitung des Lernprozesses

Mit den traditionellen Lehrmethoden konfrontiert, können Kinder mit Lernschwierigkeiten schnell frustriert werden. Durch spielerische und unterstützende Elemente und sofortiges Feedback (z.B. gegeben durch eine Rechenapp) kann diesen schwierigen Momenten entgegengewirkt werden. Die sofortige und neutrale Rückmeldung durch eine App ermöglicht es, Fehler zu erkennen und zu korrigieren. In einem anschliessenden pädagogischen Schritt kann darauf eingegangen und damit ein tieferes Verständnis der mathematischen Konzepte und die Entwicklung von Problemlösefähigkeiten gefördert werden. Im Gegensatz zu Papier, Bleistift und Arbeitsblatt bieten digitale Medien die Möglichkeit, (beinahe unbegrenzt) Lösungswege auszuprobieren, Fehler zu machen und sich zu korrigieren. So lassen sich Berührungsängste reduzieren und stattdessen ein Experimentieren, Üben und Reflektieren im Unterricht aufbauen. Darüber hinaus kann die Arbeit mit dem iPad dazu beitragen, die Zusammenarbeit unter den Schülerinnen und Schülern zu fördern. Beispielsweise können Gruppen gemeinsam an mathematischen Problemen arbeiten und ihre gefundenen Ergebnisse über die Rechenapp teilen, diskutieren und korrekte Resultate bestimmen. Gefundene Lösungswege lassen sich zudem direkt in der Rechenapp auf dem iPad speichern und dokumentieren. Dies kann Lehrkräften einen Einblick in die Denkprozesse der Schüler geben und dabei helfen das Lernen formativ zu begleiten.

Heilpädagogische Begleitung

Bildungsstandards wie die des National Council of Teachers of Mathematics (NCTM, USA, 2020) befürworten den Einsatz von Taschenrechnern ab einem angemessenen Alter und empfehlen deren Verwendung als Mittel zur Verbesserung des Verständnisses. Auch der Lehrplan 21 gibt vor, dass die Schülerinnen und Schüler im Mathematikunterricht den Umgang mit Hilfsmitteln erlernen sollen (MA.1.A.1.h, MA.1.A.1.i, MA.1.A.3.f, MA.1.A.3.h, MA.1.A.3.i, MA.1.B.2.h, und MA.3.A.3.i). Zuvor muss jedoch ein grundlegendes Verständnis für Zahlen und Rechenoperationen entwickelt sein. In der Primarschule soll zunächst ohne Taschenrechner gearbeitet werden, um die Grundkompetenzen in Arithmetik zu entwickeln und zu festigen. Der Gebrauch von Taschenrechnern wird üblicherweise erst in späteren Schuljahren eingeführt, wenn die Schülerinnen und Schüler bereits ein gutes Zahlenverständnis aufgebaut haben und komplexe Rechenoperationen durchführen können, die ohne technische Hilfsmittel zu aufwendig wären. In welchem Schuljahr und in welchem Umfang Taschenrechner eingeführt werden, kann von Kanton zu Kanton variieren. Der Lehrplan betont jedoch den Einsatz von Geräten und Programmen bei Problemen zum Finden von Lösungsstrategien (Einleitende Kapitel Medien und Informatik, MI.2.3.g), wozu Computer, Tablets, Rechner oder spezialisierte Mathematiksoftware gehören.

Mit Blick auf Kinder mit Lernbeeinträchtigungen ist jedoch zu beachten, dass durch den Hilfsmitteleinsatz (bspw. einer Rechenapp) das Lernen mathematischer Zusammenhänge stark erleichtert bzw. sogar gefördert wird. Auf diese Weise werden an anderer Stelle Entlastungen geschaffen. Geht es bspw. um das Verstehen eines Zusammenhangs zwischen Zahlen, das Berechnen aber nicht im Vordergrund steht, entlastet der Rechnereinsatz die kognitiven Anstrengungen und befördert dadurch ein tieferes mathematisches Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Zahlen (vgl. Meißner, 2006).

Apps im Schuleinsatz

Eine App sollte barrierearm gestaltet, in jedem Fall aber die Betriebssystem-eigenen Barrierefreiheit-Funktionen unterstützen. Damit wäre eine App auch für Kinder mit Lese- und Schreibschwierigkeiten geeignet oder für solche, deren Muttersprache nicht die Unterrichtssprache ist. Zudem können iPads textliche Inhalte (sofern von der App unterstützt) vorlesen und so das Verständnis mathematischer Aufgabenstellungen auf eine weitere Weise ermöglichen.

Eine App sollte auch nicht isoliert eingesetzt werden. Sie muss in den gesamten Unterricht und in den geforderten Kompetenzaufbau gemäss Lehrplan und in die individuelle Förderplanung integriert sein. Es ist wichtig, dass sowohl Lehrkräfte, Eltern und Schulleitung in den Einsatz der App einbezogen (zumindest darüber informiert) werden. Es sollte bekannt sein, wie die App funktioniert, welche Ziele damit verfolgt werden und wie sie die Kinder ausserhalb des unmittelbaren Unterrichtssettings nutzbringend einsetzen können.

Empfehlungen

Drei Empfehlungen (jeweils kostenpflichtig): Für das iPad gibt es eine Vielzahl an Rechnerapps. Die folgende Auswahl berücksichtigt die Einsatzmöglichkeiten und die technischen Funktionen mit Blick auf die Schule und die Möglichkeiten für einen passenden, sinnvollen pädagogisch-didaktischen Einsatz im Mathematikunterricht der Volksschule.

  • Tydlig ist ein klassisch anmutender Taschenrechner. Seine Qualität liegt darin, dass man wie auf einer freien Fläche Rechnungen platzieren kann. Resultate (oder auch andere Zahlenwerte) kann man an einen anderen Ort ziehen und dort weiter rechnen. Verändert man einen Parameter, ändert sich auch die verknüpfte Zahlenkette. So werden Zusammenhänge in arithmetischen Rechnungen grafisch erkennbar.
  • MyScript Calculator ist eine App, in der man von Hand Rechnungen notieren kann (ohne Zahlentasten). Die einmal notierte Rechnung kann man anschliessend ausrechnen lassen. Damit lassen sich Rechnungen auf «natürliche», handgeschriebene Weise notieren, wie man sich Rechnungen auch im Matheunterricht aufschreibt.
  • TaschenrechnerMax ist ein Rechner mit integriertem Zeichenblock. Mit den Zifferntasten kann man wie üblich Rechnungen tippen. Auf dem Zeichenblock lassen sich ähnlich wie im MyScript Calculator Rechnungen handschriftlich notieren. Anschliessend kann man die notierte Rechnung auswählen und errechnen lassen.

Alle drei Apps sind im Schuleinsatz erprobt worden und bieten aus methodischer Sicht praktische Features. Der erfolgreiche Einsatz dieser Hilfsmittel im Unterricht setzt wie bereits erwähnt einen professionell eingeführten Umgang im Unterricht voraus. Um eine Rechenapp sinnvoll einbetten zu können, sollte deren Einsatz an den individuellen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet, die lehrplangegebenen Erfordernisse berücksichtigt und pädagogische und didaktische Abwägungen getroffen werden.

Der Einsatz von iPad-Rechenapps ist ein wertvolles Instrument für die schulische Heilpädagogik. Damit kann der Lernprozess von Kindern mit Lernbeeinträchtigungen wesentlich unterstützt werden.

Literatur

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