Digital Leadership
Die digitale Transformation der Schule ist ein umfassender Schulentwicklungsprozess, der weit über den Einsatz digitaler Technologien im Unterricht hinausgeht (Eickelmann & Gerick, 2017). Zentral ist dabei die Verteilung von Verantwortung und Entscheidungsbefugnis auf verschiedene Akteure innerhalb der schulischen Gemeinschaft (Röhl, 2022). Dies wird als Digital Leadership bezeichnet (ebd.). Durch diese gemeinschaftliche Führung wird auch die Rolle der Schulleitung neu definiert (ebd.).
Bedeutung von Digital Leadership in der Schule
Die digitale Transformation der Schulen und Bildungseinrichtungen ist ein umfassender Schulentwicklungsprozess, der mit diversen Herausforderungen verbunden ist (Eickelmann & Gerick, 2017). Neue Technologien und digitale Medien erfordern eine Anpassung der Lern- und Lehrmethoden, um den Schülerinnen und Schülern eine zeitgemässe und zukunftsorientierte Bildung zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen Schulen sicherstellen, dass alle Beteiligten über die notwendigen digitalen Kompetenzen verfügen, um die Technologien effektiv nutzen zu können. Die Integration digitaler Medien in den Unterricht erfordert zudem eine umfassende Schulung und Weiterbildung der Lehrpersonen sowie anderer an der Schule tätiger Mitarbeiter:innen. Trotz diverser Herausforderungen bietet die Digitalisierung auch zahlreiche Chancen für Schulen. Digitale Technologien ermöglichen personalisiertes Lernen, individuelle Förderung und kollaboratives Arbeiten, was zu einer verbesserten Lernumgebung führen kann. Sie eröffnen neue Möglichkeiten für den Zugang zu Bildungsinhalten und ermöglichen eine globale Vernetzung und Zusammenarbeit. Zudem können digitale Tools und Plattformen administrative Prozesse vereinfachen und die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten verbessern. Darüber hinaus eröffnen sie gerade in der Heilpädagogik nie dagewesene Möglichkeiten im Bereich der individuellen Förderung, assistiven Technologien sowie der unterstützten Kommunikation (Schmid-Meier, 2023).
Aus Untersuchungen geht hervor, dass viele Schulleiter:innen nicht über ausreichendes Wissen verfügen, um effektive digitale Lösungen zu identifizieren und anzuleiten (Caneva & Pulfrey, 2023). Diese Wissenslücke führt oft dazu, dass Schulleitungen die Verantwortung für die digitale Transformation an PICTS (Pädagogischer ICT Support) oder andere fachkundige Personen innerhalb der Schule delegieren (ebd.). PICTS wiederum sehen sich laut Geiss & Röhl (2024) primär als beratende Kolleg:innen und nicht als transformative Leader, wie es manchmal in öffentlichen Debatten gefordert wird. Sie verstehen ihre Rolle als unterstützend und beratend, nicht als disruptiv (ebd.). Diese Selbstwahrnehmung kann eine Herausforderung darstellen, wenn von ihnen erwartet wird, führende Rollen in der digitalen Umgestaltung zu übernehmen. Dies führt zu einer Reihe von Paradoxien und Dilemmata: Es entsteht eine Spannung zwischen der formalen Machtposition der Schulleitung und den oft intransparenten Führungsfunktionen der PICTS. Des weiteren ergibt sich eine Herausforderung in der Balance zwischen geteilter und hierarchischer Führung sowie zwischen der Notwendigkeit von Innovation und der Bewahrung von Stabilität. Die Schulen stehen zudem vor der Herausforderung, einen eigenen Weg zu finden, der sowohl den Kontext der Einzelschule berücksichtigt als auch den kantonalen Vorgaben und dem Lehrplan 21 gerecht wird. Diese komplexe Dynamik erfordert eine klare Kommunikation und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, um die digitale Transformation in Schulen erfolgreich zu gestalten.
Digital Leadership spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung dieser Herausforderungen und der Nutzung der Chancen der Digitalisierung. Mit Digital Leadership ist ein neues Verständnis von Führung gemeint, bei dem individuelle Personen und Gruppen entsprechend ihrer spezifischen Expertise Verantwortung übernehmen und Entscheidungsbefugnis in bestimmten Aufgabenbereichen erhalten (Breitschaft et al., 2023, S. 10 f.). Digital Leadership ist demnach im Sinne von Distributed Leadership zu verstehen (Anderegg & Spillane, 2022), was bedeutet, dass Führung nicht mehr nur auf eine einzelne Person oder Hierarchieebene beschränkt ist. Stattdessen wird die Verantwortung und Entscheidungsbefugnis auf verschiedene Akteure in der schulischen Gemeinschaft (z.B. PICTS, Lehrpersonen, Schulische Heilpädagog:innen) verteilt. Jede:r dieser Digital Leaders hat einzigartige Erfahrungen, Kompetenzen und Perspektiven, die zur Gestaltung einer erfolgreichen digitalen Bildung beitragen können. Darüber hinaus ermöglicht Distributed Leadership im digitalen Bereich eine flexiblere und anpassungsfähigere Führung. In einer sich schnell verändernden digitalen Landschaft ist es wichtig, dass Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen getroffen werden können, um auf neue Herausforderungen und Chancen reagieren zu können. Insgesamt trägt Distributed Leadership im digitalen Bereich dazu bei, dass verschiedene Akteure der schulischen Gemeinschaft in den digitalen Wandel einbezogen werden und diese gemeinsam an der Gestaltung einer zukunftsorientierten Bildung arbeiten. Es ermöglicht eine vielfältige und dynamische Führung, die den sich wandelnden Anforderungen der digitalen Welt gerecht wird.
Durch eine visionäre und strategische Führung können Schulen eine klare Richtung vorgeben und die notwendigen Ressourcen und Unterstützung bereitstellen, um den digitalen Wandel erfolgreich umzusetzen (Genner, 2023). Digital Leadership beinhaltet auch die Förderung einer Kultur des Experimentierens, des Lernens und der Innovation, um neue Ansätze und Technologien zu erkunden und zu implementieren. Darüber hinaus ist Digital Leadership auch von grosser Bedeutung bei der Schaffung einer inklusiven und gerechten digitalen Bildung. Es geht darum, sicherzustellen, dass alle Schülerinnen und Schüler Zugang zu digitalen Ressourcen und Chancen haben und dass digitale Technologien dazu beitragen, Bildungsungleichheiten zu verringern. Schulische Heilpädagog:innen spielen hierbei eine entscheidende Rolle, indem sie die Entwicklung als Digital Leaders mitgestalten, um sicherzustellen, dass die Chancen der digitalen Medien bestmöglich zur individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler genutzt werden (Schulz & Schmid-Meier, 2024).
Fazit
Digital Leadership bedeutet, themenbezogen Führung zu übernehmen und sich den Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung zu stellen. Diese Art der Führung geht über technisches Verständnis und Kompetenz hinaus; sie erfordert auch visionäres Denken und die Fähigkeit, die schulische Gemeinschaft proaktiv und zielgerichtet auf eine gemeinsame digitale Zukunft auszurichten. Indem Verantwortung und Entscheidungsbefugnis auf verschiedene Akteure innerhalb der schulischen Gemeinschaft verteilt werden, entsteht eine dynamische und flexible Führung. Diese ist in der Lage, den sich ständig ändernden Anforderungen der digitalen Welt gerecht zu werden und spezifisch auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten einzugehen, die die digitale Transformation mit sich bringt. So können Schulen eine innovative und zukunftsorientierte Bildung bieten, welche neue Möglichkeiten der individuellen Förderung eröffnet und alle Schülerinnen und Schüler auf die Anforderungen der digitalen Welt vorbereitet.
Literatur
- Anderegg, N., & Spillane, J. (2022). Was versteht man eigentlich unter Führung? Gespräch mit James Spillane von der Northwestern University. Lernende Schule, 2022(98), 8–11.
- Breitschaft, J., Burri, E., Röhl, T., & Wespi, N. (2023). Einleitung und Begriffsklärung. In T. Röhl, J. Breitschaft, E. Burri, & N. Wespi (Hrsg.), Digital Leadership—Schulen im digitalen Wandel führen (S. 10–22). hep.
- Caneva, C., & Pulfrey, C. (2023). Digital Capacity Building in Schools: Strategies, Challenges, and Outcomes. Médiations et médiatisations, 13, 45–64. https://doi.org/10.52358/mm.vi13.394
- Eickelmann, B., & Gerick, J. (2017). Lehren und Lernen mit digitalen Medien–Zielsetzungen, Rahmenbedingungen und Implikationen für die Schulentwicklung. Schulmanagement Handbuch, 164(4), 54–81.
- Genner, S. (2023). Digital Leadership—Digital Skills. In T. Röhl, J. Breitschaft, E. Burri, & N. Wespi (Hrsg.), Digital Leadership—Schulen im digitalen Wandel führen (S. 24–36). hep.
- Röhl, T. (2022). Digital Leadership?: Schulen im digitalen Wandel führen. schule verantworten | führungskultur_innovation_autonomie, 1, 69–73. https://doi.org/10.53349/sv.2022.i1.a185
- Schmid-Meier, C. (2023). Künstliche Intelligenz und menschliche Emotionen. Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, 29(09), 29–34. https://doi.org/10.57161/z2023-09-05
- Schulz, L., & Schmid-Meier, C. (2024). Assistive Technologien und Künstliche Intelligenz: Ein KI-Kompetenzmodell zum Einsatz im Klassenzimmer. #schuleverantworten, 4(1). https://doi.org/10.53349/schuleverantworten.2024.i1.a397