Unterrichtsserie: Design und Druck eines eigenen 3D-Modelles mit dem Onlinetool Tinkercad

Dies ist ein Studierendenbeitrag von Daniel Bapst aus dem Modul Medien & Informatik im HS 2024.
Die technischen Fortschritte in den letzten Jahren haben dazu geführt, dass 3D-Drucker immer günstiger, schneller und einfacher zu bedienen werden. Somit sind sie mittlerweile auch für Schulen erschwinglich und können die geometrischen Fähigkeiten und das Vorstellungsvermögen der Schüler:innen im Unterricht fördern. Neben einem herkömmlichen 3D-Drucker wird lediglich die Gratisseite Tinkercad mit einem Lehreraccount benötigt.
Datenschutz bei Tinkercad
Das erstellen von Schüleraccounts geschieht bei Tinkercad über Spitznamen. Es müssen keine Emailadressen und Geburtsdaten eingegeben werden. Auch eine Zugehörigkeit zu einer Schule wird vonseiten Tinkercad nicht geprüft. Allein der Lehreraccount benötigt eine Emailadresse. Um Tinkercad ausserhalb des Projektes nutzen zu könnten, müssten sich die Schüler:innen allerdings mit einem Privaten Account inklusive einer Emailadresse registrieren.
Differenziertes, individualisiertes und adaptives Lernen
Durch die Verwendung von rein geometrischen Figuren bietet Tinkercad eine gute Visualisierung von dreidimensionalen Objekten. Es fördert das Verständnis, wie Alltagsgegenstände auf einfache Art und Weise aus zugrunde liegenden basalen geometrischen Objekten aufgebaut werden (Bildungsdirektion des Kanton ZH, 2018, S. MA.2.C.1). So können Objekte aus wenigen einzelnen Grundfiguren hergestellt, aber auch grenzenlos erweitert werden.
Die Möglichkeit, das Objekt nicht nur auf dem Bildschirm kreieren zu können, sondern es im Anschluss auch ausdrucken und „in den Händen“ halten zu können, fördert das räumliche Vorstellungsvermögen. Das Handeln wird weg von einer zweidimensionalen Ansicht durch das konstruieren auf Papier, in die dritte Dimension gehoben.
Dadurch, dass die komplette Gestaltungsphase auf dem Computer stattfindet, können auch Schüler:innen vereinfacht teilnehmen, die aufgrund einer Einschränkung nicht, oder nur eingeschränkt, im regulären TTG-Unterricht dazu befähigt wären (Bosse et al., 2022, S. 37). Die einzige Voraussetzung ist dabei die Möglichkeit der Bedienung eines Tablets oder Computers: Es entfällt die Notwendigkeit der Handhabung von Maschinen und Werkzeugen, die in einem traditionellen Setting (zum Beispiel in TTG oder BG) nötig sind. Dadurch orientiert sich das Projekt am Rahmen des „Universal Design for Learning“ (Wember & Melle, 2018).
Produktentwicklung
Die Produktentwicklung bewegt sich nahe an der Lebenswelt der Schüler:innen. Diese können sich Produkte ausdenken und gestalten, die sich an ihren Bedürfnissen orientieren. Neben Alltagsgegenständen (wie eine Handy- / Stifthalterung) können auch Objekte entstehen, die ihnen das Leben erleichtern. Durch einen wiederholten Zyklus des Konstruierens – Druckens – Evaluierens beschäftigen sie sich intensiv mit ihrem Produkt und verfeinern dieses über die Dauer der Unterrichtsserie immer weiter.
Die Gestaltung von 3D-Modellen fördert die Bewusstseinsbildung in mehreren zirkulären Schritten: Zuerst muss das Problem, für das eine Lösung gesucht wird, isoliert werden. Hierfür ist es bereits nötig, dass das Problem genau beschrieben werden kann. Danach muss ein Gegenstand, der zur Lösung dieses Problems hilfreich ist, erfunden und visualisiert werden. Im folgenden Schritt muss dieser Gegenstand in seine basalen Bestandteile (geometrische Grundformen) reduziert werden. Erst dann kann dieser am Computer nachgebaut werden. Nach dem Druck muss dieser auf seine Funktion hin überprüft werden. Nun können Anpassungen vorgenommen werden um die Funktion zu optimieren.
Unterrichtsbeispiel
Vorbereitung
In Tinkercad wird eine Klasse erstellt und anschliessend die Schüler:innen hinzugefügt. Dies erlaubt einen geteilten virtuellen Klassenraum, in dem die Lehrkraft alle hergestellten Produkte anschauen, bearbeiten und herunterladen kann. Die Schüler:innen erhalten somit auch ein eigenes Login, mit welchem sie Modelle erstellen und bearbeiten können. Die Lehrperson erhält die Möglichkeit, alle Produkte zu bearbeiten, herunter zu laden und Vorlagen mit der ganzen Klasse teilen zu können.
Als Drucker eignen sich vor allem FDM-Drucker. Diese sind in Anschaffung, Material- und Wartungskosten relativ günstig und es entstehen kaum giftige Abfälle oder Nebenprodukte. Generell können aber jegliche 3D-Drucker eingesetzt werden.
Einführung
Tinkercad bietet ein Tutorial an, in dem die Grundlegenden Bearbeitungsmethoden (Körper verschieben, verbinden und ausschneiden sowie die Handhabung der Arbeitsfläche) Schritt für Schritt erklärt werden. Es empfiehlt sich, dies zusammen mit den Schüler:innen durchzuarbeiten.
Anschliessend können bereits einfache Objekte hergestellt werden. Hierbei liegt der Fokus darauf, Alltagsgegenstände in ihre zugrundeliegenden Körper zu zerlegen (so besteht ein einfacher Tisch aus einem flachen Quader als Tischplatte und 4 Zylindern als Tischbeine). Ein solcher Tisch kann beliebig erweitert und angepasst werden.
Arbeit an Projekt
Anschliessend können eigene Projekte realisiert werden. Hier empfiehlt es sich, eine Maximalgrösse des Objektes festzulegen. Dies stellt sicher, dass die sich die benötigte Zeit für das Drucken und das verwendete Material in Grenzen halten. Eine Grösse von Maximal 10cmx10cmx10cm hat sich bewährt.
Die Vorgaben zu dem hergestellten Produkt können dabei stark variieren: So können einerseits Produkte mit Verbindung zu anderen Fächern (beispielsweise NMG), aber auch individuelle Produkte aus der Lebensumwelt der Schüler:Innen designt werden.
Auch wenn es online eine Vielzahl von bereits bestehenden Vorlagen und Ideen für 3D-Modelle gibt, sollten diese nicht in den Fokus gerückt werden: Es entsteht schnell die Versuchung, diese Modelle und Lösungsansätze kopieren zu wollen. Dabei rücken die eigene Kreativität und Problemlösungssuche in den Hintergrund.
Fazit
Die Arbeit an und mit 3D-Modellen bietet neben grossen Möglichkeiten auch einzelne Schwierigkeiten, die bei der Umsetzung einer solchen Unterrichtsreihe bedacht werden müssen: So müssen einerseits genügend Laptops oder Tablets für die Schüler:innen zur Verfügung stehen. Dies schliesst auch Peripheriegeräte wie Computermäuse mit ein. Zusätzlich muss der Umgang mit Tinkercad gut instruiert und angeleitet werden, da hier ansonsten schnell Frustgefühle entstehen können. Des Weiteren sollte der Druck selber durch die betreuende Lehrperson vorgenommen werden, da es ansonsten schnell passieren kann, dass die Grössen des zu druckenden Objektes nicht eingehalten wird und nur einzelne Objekte gleichzeitig gedruckt werden, was zu deutlich längeren Druckzeiten führen kann.
Gefördert wird in diesem Projekt auch das kollaborative Arbeiten: Das gemeinsame Gestalten eines Objektes und der Austausch über mögliche Lösungsstrategien fördern eine gemeinschaftliche Arbeitskultur und stärken die kommunikativen Fertigkeiten der Schüler:innen.
Durch eine offengehaltene Vorgabe des Endproduktes (mit der Limitierung der Objektgrösse) können die Schüler:innen ihre Fertigkeiten und Interessen individuell einbringen und verbessern. Durch die Verwendung eines Onlinetools können motivierte Schüler:innen auch in der Freizeit auf eigenen Geräten wieder gestalten, ohne dass sie auf privaten Geräten zusätzliche Software installieren müssen. Die Entwürfe werden zusätzlich auf der Seite automatisch abgespeichert und stehen in der Schule wieder zur Verfügung.
Literatur
Bildungsdirektion des Kanton ZH. (2018). Zürcher Lehrplan 21 (1. Auflage 2018). Bildungsdirektion Kanton ZH.
Bosse, I., Maurer, B., & Schluchter. (2022). Inklusives Making in der Schule—Chancen für Empowerment und Partizipation. In Umgang mit Digitalität. Stiftung Schweizer Zentrum für Heil- und Sonderpädagogik (SZH).
Wember, F., & Melle, I. (2018). Adaptive Lernsituationen im inklusiven Unterricht: Planung und Analyse von Unterricht auf Basis des Universal Design for Learning. Waxmann.